Ab sofort stehen die Präsentationen/Mitschnitte der Vorträge und Praxis-Spotlights des Kongresses in der Rubrik "Infoservice/Downloads" zur Verfügung!
Am 25/26. September 2014 fand mit den Kooperationspartnern Universität Koblenz-Landau und Fachhochschule Münster ein international besetzter und bundesweit ausgerichteter Fachkongress zum Thema „Kinderrechte – Fixstern einer modernen Kinder- und Jugendhilfe?“ in Koblenz statt.
Zeitpunkt und Ort sind mit Bedacht gewählt: das Jahr 2014 ist das 25. Jubiläumsjahr der UN-Kinderrechtskonvention. Gleichzeitig wurde in Rheinland-Pfalz vom 20. bis 27.09.2014 die Woche der Kinderrechte begangen.
Der Kongress hat die Möglichkeit geboten, sich sowohl über den aktuellen Forschungs- und Wissensstand zur Umsetzung der Kinderrechte zu informieren und sich damit auseinanderzusetzen als auch dazu vielfältige Beispiele aus der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland präsentiert zu bekommen.
Damit wurde dazu beitragen, die Rechte von Kindern und Jugendlichen in besonderer Weise in der Jugendhilfe in den Mittelpunkt zu stellen. Es muss deutlich werden, dass Grundlage und Bezugspunkt die Rechte von Kindern und Jugendlichen sind; egal ob in der alltäglichen Praxis konkreter Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe, ob in besonderen Vorhaben der Bildungsarbeit oder in Aktionen gesellschaftlicher Einmischung in Worten, Bildern oder Taten.
"Glaubst du, du bist noch zu klein, um große Fragen zu stellen?
Dann kriegen die Großen dich klein noch bevor du groß genug bist."
(Erich Fried)
Kinderrechte-Kongress-Koblenz 2014
Kinderrechte sind kein Katalog abstrakter Wünsche für eine bessere Welt, sondern sehr konkrete Herausforderungen an jede Gesellschaft, die Zukunft der nachwachsenden Generation ernsthaft und nachhaltig zu sichern.
Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht ...
Zentrale Bezugspunkte unserer Rechtsordnung sind die unveräußerlichen Grundrechte auf Menschenwürde und freie Entfaltung (Art 1 und 2 GG), an denen sich gesellschaftliche Regeln und staatliches Handeln unbedingt zu orientieren haben. Kinder und Jugendliche sind Träger dieser Menschrechte, Eltern „obliegt zuvörderst die Pflicht“, diese Rechte ihrer Kinder durch ihre Sorge um Pflege und Erziehung zu verwirklichen. Die staatliche Gemeinschaft ist darauf verpflichtet, wachsam zu sein, dass alle Kinder auch zu ihrem Recht kommen (Art 6 GG).
Es gibt keinen Menschen, der ausgeschlossen werden darf, weder des Geschlechtes, der Herkunft oder der sozialer Lage wegen. So schnell und selbstverständlich sich dieser Anfang liest, so wenig selbstverständlich und unumstritten ist der universelle Anspruch der Kinderrechte. Im Alltag spannend wird es, wenn der universelle Geltungsanspruch gegenüber Besonderung und Abwertung von Kindern und Jugendlichen wegen Herkunft und Milieu in pädagogischen Einrichtungen behauptet und durchgesetzt werden muss, oder gegenüber Eltern mit gewaltförmigen „Erziehungsvorstellungen“.
... wer Recht hat, muss auch Recht bekommen ...
Seine Rechte kennen ist die erste, dabei unterstützt werden, seine Rechte auch vorzubringen, die zweite Voraussetzung, um zu seinem Recht zu kommen. Was für Erwachsene in unserem Rechtsstaat gilt, muss auch Kindern und Jugendlichen ermöglicht werden. In Schule oder Kinder- und Jugendhilfe wird eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen, die tief und folgenreich in das Leben von Kindern und Jugendlichen eingreifen. Erforderlich sind daher sowohl eine umfassende Beteiligung und eigenständige Vertretung für Kinder und Jugendliche in allen Gerichts- und Verwaltungsverfahren als auch gesicherte Beschwerderechte gegenüber pädagogischen Institutionen wie Jugendämter, Schulen oder Heimen.
... aber „Recht“ als zentrale Orientierung für „Pädagogik“?
Junge Menschen als eigenständige Subjekte mit eigenen Rechten zu begreifen und nicht als Objekte ihrer Erziehung, ist ein zentraler Anspruch moderner Pädagogik, beginnend vor gut 200 Jahren. „Der Mensch will so gerne das Gute, das Kind hat so gerne ein offenes Ohr dafür; aber es will es nicht für Dich, Erzieher, es will es für sich selber.“ So die damals aufregend neue Sicht auf „das“ Kind als Subjekt. Aber so gerne wir die Traditionen unserer sozialpädagogischen Arbeitsfelder und Konzepte an Leitfiguren wie Pestalozzi orientieren, so sehr muss an die „dunklen Seiten“ pädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erinnert werden. Die Rechte junger Menschen auf Schutz, Förderung und Bildung mit der Begründung zu bestreiten, sie müssten schließlich erzogen werden und Erziehung verlange die Unterwerfung unter den Willen der Erzieher, die notfalls auch mit Gewalt zu erzwingen ist. Diese Doktrin gehört ebenso zum festen Bestand pädagogischer Konzepte bis in die jüngste Vergangenheit. Wie die Menschenwürde von Kindern und Jugendlichen im Namen der Pädagogik missachtet und welcher Schaden ihnen dadurch zugefügt worden ist, davon ist aktuell eindrucksvoll an den Runden Tischen Heimerziehung und sexueller Missbrauch berichtet worden.
Erziehungsarbeit, die junge Menschen als Grundrechtsträger mit unveräußerlichen Rechten begreift, muss daher für mindestens zweierlei sorgen: Zum einen die eigenen Spannungen und Grenzen als Gewaltverhältnis wahrnehmen und reflektieren und zum anderen sich besonders streng kontrollieren lassen.
Recht: ein „Fixstern“ der Pädagogik!
Fixsterne waren in den Zeiten vor weltweitem GPS überlebenswichtige Orientierungsmarken auf den endlos erscheinenden Ozeanen, Orientierungsmarken allerdings, die gekannt, eingeordnet und gedeutet werden mussten, um tatsächlich den Weg in den sicherem Hafen zu finden und nicht auf gefährlichen Klippen zu zerschellen.
Kinderrechte sind für die pädagogische Arbeit mit Kinder und Jugendlichen sowie für die Beratung und Unterstützung von Eltern ein solcher Fixstern, der überlebenswichtige Orientierung bieten kann. Allerdings muss auch dieser Fixstern gekannt, eingeordnet und gedeutet werden, sonst geraten auch Pädagoginnen und Pädagogen in Untiefen oder auf Klippen, die in ihrer Arbeit ebenfalls reichlich drohen.
Der Kinderrechte-Kongress-Koblenz 2014 wird vielfältige Möglichkeiten bieten, sich über den aktuellen Stand zur Umsetzung der Kinderrechte zu informieren, Projekte und Akteure aus der pädagogischen Praxis in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland kennenzulernen und mit interessierten Kolleginnen und Kollegen intensiv Erfahrungen und Ideen zu diskutieren.